„Pflegen kann jede Hausfrau“
Heusenstamm - Dieser Satz des ehemaligen CDU-Sozialministers Norbert Blüm wurde mehrmals erwähnt, als die SPD-Kreistagsfraktion auf ihrer Sommertour das Thema Qualität in der Altenpflege und aktuelle Entwicklungen in diesem Bereich mit Praktikern der Arbeiterwohlfahrt Hessen-Süd anlässlich eines Besuches des Seniorenzentrums Horst-Schmidt-Hauses in Heusenstamm erörterte.
Die Personalausstattung und die Entlohnung des Personals sei der Schlüssel zur Verbesserung der Qualität in der Pflege, so die These des Geschäftsführers Altenhilfe/Altenpflege der AWO Hessen-Süd Helmut Kaufmann. „Wenn nicht mehr Personal zur Verfügung steht, kann man sich die Diskussion über neue Gesetze sparen“, war die vernichtende Kritik des Fachmanns an der gegenwärtigen Altenpolitik. Mit zwei Pflegekräften für dreißig Heimbewohner kann man nur unmenschliche Minutenpflege gewährleisten.
In einer ähnlichen Situation seien auch die ambulanten Pflegedienste, die nur durch Zuschüsse der Träger überleben könnten. Die zahlreichen Angebote Privater könnten nur durch Selbstausbeutung der Arbeitskräfte für eine kurze Zeit aufrechterhalten werden, ansonsten drohe Qualitätsverlust auf breiter Basis.
Ein wichtiger Baustein, die Qualität der Pflege langfristig zu sichern, ist auch die Ausbildung geeigneter Pflegekräfte. Zwar ist im Pflegesatz ein Anteil für Ausbildung vorgesehen, doch wer nicht ausbildet, kann diesen Anteil zur Deckung anderer Ausgaben verwenden. Anbieter können sich so der Verantwortung für die Ausbildung entziehen. Daher forderte Helmut Kaufmann ein Finanzierungssystem, an dem sich alle Altenpflegeeinrichtungen beteiligen müssen, unabhängig davon, ob sie ausbilden oder nicht.
Eine Reform der Ausbildung hin zu einer zunächst generalistischen Grundausbildung von Alten- und Krankenpflegern mit anschließender Spezialisierung, wie sie zur Zeit diskutiert werde, sei zwar ein richtiger Ansatz, doch wenn die Anzahl der Pflegekräfte nicht enorm gesteigert würde, bestehe die Gefahr, dass „die Politik“ eine geringere Qualifikation in der Altenpflege akzeptiert und vielleicht sogar fordert, ergänzte der Hauptgeschäftsführer der AWO Hessen-Süd Thomas Przibilla.
In der Konkurrenz zwischen Alten- und Krankenpflege, zweier im Prinzip ähnlicher Berufsbilder, hat die Altenpflege aufgrund der geringeren Entlohnung keine Chance.
Obwohl die Arbeiterwohlfahrt als einziger Wohlfahrtverband tarifvertraglich an den TVöD gebunden ist, ist ein Monatslohn von 1.700 €, das sind ca. 18% weniger als vergleichbare Tätigkeiten in der Krankenpflege, nach der Ausbildung nicht attraktiv.
In den ambulanten Diensten ist die Entlohnung für Fachkräfte sogar bis zu einem Drittel geringer als in Krankenhäusern.
Pflegevorsorgefond entzieht wichtige Mittel
Zum Abschluss des Gesprächs wurde seitens der AWO-Führungskräfte Kritik an der Einrichtung eines Pflegevorsorgefonds geübt. Dieser Fond soll durch 0,1-Prozentpunkte aus den Versichertenbeiträgen gebildet werden und die Risiken der Pflegeversicherung durch die geburtenstarken Jahrgänge ab 2033 absichern. Jährlich würde der Bundesbank, die diesen Fond aufbauen und verwalten soll, 1,2 Milliarden Euro zufließen, die dem System aktuell entzogen würden.
Die Alternative wäre ein solidarisch finanziertes Umlagesystem, dass sich gerade in der Kapitalmarktkrise als wesentlich stabiler erwiesen habe als alle kapitalgedeckten Vorsorgesysteme. Der Name dafür: Bürgerversicherung.